Die oft gelobte Kühnheit Musilscher Psychologie zeichnet schon dies erste Werk aus. Es ist die ungewöhnliche, subtile Pubertätsstudie, in der Musil seine Erfahrungen als Kadett einer k.u.k. österreichischen Militärerziehungsanstalt auswertete. Eine scharfsichtig genaue, glasklare Interpretation jugendlichen Wachstums, die zugleich das Bild kommender Diktatur und der Vergewaltigung des einzelnen durch das System visionär vorzeichnet.
Der junge Törleß, Sohn eines Hofrats, tritt in ein altehrwürdiges Konvikt
ein, in dem die Sprösslinge der oberen Familien des Landes auf den Militär-
oder Staatsdienst vorbereitet werden. Das Zusammenleben der Schüler ist
von pubertären Nöten und homoerotischen Beziehungen geprägt. Törleß befindet
sich in diesem Konvikt zunächst in einer komplizierten, von Depressionen
geprägten Situation. Er empfindet sein Leben als sinnlos und sehnt sich
nach einem anderen Dasein, von dessen Gehalt und Form er sich allerdings
keine rechte Vorstellung machen kann. Ausbruchsversuche aus der behütet
erscheinenden Bürgerwelt, eine Begegnung mit einer Dirne lösen in ihm heftige
Gefühle aus, bringen jedoch keine Erfüllung. Das verhängnisvolle Geschehen
setzt ein, als Basini, ein weicher, in seiner Entwicklung zurückgebliebener
Junge, von Mitschülern des Kameradendiebstahls überführt wird. Statt ihn
der Internatsleitung zu melden, beschließen die Zöglinge Beineberg und
Reiting, die Bestrafung und Läuterung des Jungen selbst vorzunehmen. Der
feinfühlige Törless, neugierig auf das Bösartige und Vulgäre, das die beiden
verkörpern, beteiligt sich - angezogen und abgestoßen von dem Geschehen
zugleich - eine Zeit lang an den Peinigungen und Demütigungen des Schülers
Basini. In Törleß' Gegenwart wird er geprügelt, erniedrigt und zu homosexuellen
Diensten missbraucht. Erst als sich die Quälereien zum Lynchexzess steigern,
wendet Törleß sich ab und erreicht infolge einer vorgetäuschten Flucht
die Entlassung aus der ungeliebten Anstalt und die Rückkehr zu seiner Familie.