"Umkämpfte Gewissheiten" - ihnen widmet sich das Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 2017/18. Mit diesem Titel knüpft das Werk unmittelbar an seinen Vorgängerband an: Das Jahr 2016 stand unter dem Eindruck einer "Neuen Unordnung". Dieser versuchte man in den Folgejahren das Chaos strukturierende - und zum Teil auch dieses negierende - Gewissheiten entgegenzusetzen. Auf rasche Umwälzungen, einschneidende Veränderungen und gesellschaftliche wie politische Zäsuren reagierten unterschiedliche MeinungsführerInnen mit der Proklamation vermeintlicher "Fakten". "Objektivität" und "Wahrheit" waren Begriffe, die nun reüssierten, um die Unübersichtlichkeit einzuhegen, Orientierung zu geben, Beherrschbarkeit zu suggerieren. Doch die Beiträge im vorliegenden Band zeigen, dass Gewissheiten - so es sie denn überhaupt gibt - stets nicht nur fragil, sondern auch erbittert umkämpft sind. Deutungshoheit über Schlüsselbegriffe zu erlangen erscheint heute wichtiger denn je. Wer gesellschaftliche Phänomene und Konflikte aus der eigenen Perspektive interpretiert und in eigenen Begrifflichkeiten definiert, schafft einen normativen Auslegungsrahmen, der gesellschaftliche Debatten zu lenken vermag - so lange, bis die nächste Deutungsvariante attraktiver scheint. Das vorliegende Jahrbuch illustriert auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Ein steigendes Bedürfnis nach letztgültigen Gewissheiten führt nicht zu deren Verfestigung, sondern entfacht erst recht einen Deutungskampf.