Für die in Zagreb und Belgrad aufgewachsene Philosophin ist mit dem Zerfall Jugoslawiens eine Kultur untergegangen, versunken wie die der Mayas oder der Osterinseln. Die Bevölkerung überlebt (wenn sie im rechten Moment genügend Glück hatte) - im alten Kulturraum oder wie die Autorin im Exil -, aber ihre Kultur ist schon heute nur mehr ein Objekt für Historiker, Archäologen, Ethnologen.
Wie in all den Büchern über 'untergegangene', 'versunkene' Kulturen wird auch in diesem Buch die Frage danach gestellt, wie es zu diesem Zerfall und Untergang kam, aber auch die Frage danach, was überhaupt das Wesentliche an diesem Jugoslawien war. Ivekovic gräbt all diese historischen Zuschreibungen aus, die Fantasien, die rund um das Ferienland Dalmatien kreisten, die Projektionen rund um Titos Selbstverwaltungssozialismus mit 'menschlichem Antlitz', die Führungsrolle in der Bewegung der Blockfreien Länder; sie hinterfragt die jugoslawische Identität, ein Partisanenland zu sein, und die ganz spezielle Ausformung des Balkan-Patriarchats; und sie beleuchtet die Arbeit der ins Unbewusste verdrängten historischen Fakten und der staatstragenden Mythen.
Die Autopsie des Balkan ist eines der wichtigen historischen, politischen und philosophischen Bücher über ein europäisches Phänomen, das mit dem vorigen Jahrhundert zu Ende ging: klug, vielseitig und vor der Folie vieler diverser Weltkulturen und Philosophien.
Die europäische Haltung par excellence, wiederholt in allen Teilen des Kontinents, ist, eine Ausnahme sein zu wollen.