Das berühmte Standardwerk von Simone de Beauvoir. Die universelle Standortbestimmung der Frau, die aus jahrtausendealter Abhängigkeit von männlicher Vorherrschaft ausgebrochen ist, hat nichts an Gültigkeit eingebüßt. Die Scharfsichtigkeit der grundlegenden Analyse tritt in der Neuübersetzung noch deutlicher hervor.
In der Einleitung definiert Beauvoir ihr Konzept des >>anderen<<: Der Mann
sei in unserer Vorstellungswelt ohne Frau denkbar, während die Frau >>mit
Bezug auf den Mann determiniert und differenziert<< werde. >>Er ist das
Subjekt, er ist das Absolute<<, heißt es, >>sie das Andere.<< Aus den jahrtausendealten
Einschränkungen der Frau resultiere ihr Unterlegenheitsgefühl. Das Werk
besteht aus zwei Büchern, das erste trägt den Untertitel Fakten und Mythen.
Die Autorin untersucht die physiologische, psychologische, ökonomische,
historische und literarische Situation der Frau. Nüchtern betrachtet sie
die biologischen Gegebenheiten, die Feststellungen der Psychoanalyse und
des historischen Materialismus zur Rolle der Frau. Auch die überlegene
Körperkraft des Mannes erkläre nicht, warum die Frau sich ihm untergeordnet
habe, da beim Menschen >>die biologischen Gegebenheiten den Wert, den der
Existierende ihnen gibt<<, bestimmten. An der Theorie von Sigmund R Freud
bemängelt sie, dass er bei der weiblichen Psyche >>einfach das männliche
Modell zugrunde gelegt<< habe. Dem historischen Materialismus billigt sie
zu, >>wichtige Wahrheiten<< erkannt zu haben. Doch erkläre Friedrich R
Engels nicht, warum >>das Privateigentum notwendig die Versklavung der
Frau zur Folge haben soll<<. Beauvoir verfolgt die Rolle der Frau im Lauf
der Geschichte von den primitiven Formen der menschlichen Gesellschaft
bis zur gegenwärtigen, in der die Eltern >>ihre Tochter immer noch mehr
im Hinblick auf die Ehe<< erziehen, anstatt ihre Entwicklung zu fördern.
Das zweite Buch, das Gelebte Erfahrung überschrieben ist, beginnt mit dem
Satz: >>Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.<< Es beschreibt
den exemplarischen Werdegang der Frauen von der Geburt bis zum Beginn der
Sexualität, die Situation der erwachsenen Frau in der Gesellschaft. Beauvoir
entmystifiziert dabei einschneidende körperliche Erfahrungen wie Menstruation,
Liebesakt und Gebären als unerfreulich oder demütigend. Den Lesbierinnen
widmet sie eine eigene Betrachtung, die von modernen Feministinnen kritisiert
wurde, da sie letztlich die >>Normalität<< für erstrebenswert halte. Nicht
selten sarkastisch beschreibt sie die >>Rechtfertigungen<< der Frauen,
die aus Frustration vor einem selbst verantwortlichen Dasein in Rollen
wie die der Narzisstin oder der unterwürfigen Liebenden flüchteten.