Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg liebten Comicleser Superhelden im Kampf zwischen Gut und Böse. Doch viele Figuren wie etwa Captain America waren reine Propaganda. So flaute das Interesse bald ab - bis Marvel in den 1960er-Jahren einen neuen Typus Superheld erfand. Zwar hatte der nach wie vor Superkräfte, aber jetzt war er plötzlich unvollkommen, hatte seine Probleme, wirkte wie ein echter Mensch.
Spider-Man muss auch Miete zahlen, fühlt sich unsicher im Umgang mit Mädchen und ist beladen mit Selbstzweifeln. Der Leser kann sich bestens mit ihm identifizieren. Durch diese Konflikte wird der Kern des Charakters herausgestellt. Dabei unterstützt das Kostüm die Darstellung der Seele; das Publikum erfasst, wer die Figur eigentlich ist. Das macht die Geschichte erst interessant - wir finden Gefallen daran, dass die Figur im Grunde genauso unvollkommen ist wie wir selbst.
Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als Comics als Kindermedium galten. Aber Stan Lee, Jack Kirby und Steve Ditko, die Erfinder und Gestalter bei Marvel, waren damals in ihren Vierzigern. Sie reflektierten die Unsicherheiten und Ängste ihrer eigenen Jugend aus einer erwachsenen Position heraus.
Oft rangen die Superhelden damit, das Richtige zu tun, und es war ihnen nicht immer klar, ob sie ihre Kräfte als Segen oder Fluch ansehen sollten. Die Reaktionen auf übermenschliche Kräfte waren eben nicht mehr eindeutig, ebenso die Frage, wie die Menschheit mit diesen aussergewöhnlichen Wesen umgehen sollte.
Auf dieser Grundlage erschufen die Schöpfer ganze Universen von Superhelden, die zum Teil zwischen den verschiedenen Marvel-Titeln wechseln, sodass der Eindruck einer gigantischen, miteinander verflochtenen Erzählung entsteht.
Viele dieser Figuren sind derzeit in einer Ausstellung zu sehen, die durch die USA tourte und bis Ende August 2024 als Europapremiere in Basel ist. Und sie werden auch weiterhin in immer neuen Variationen in kommenden Comics und Filmen zu sehen sein.